Methodengläubigkeit im Qualitätsmanagement
Zahlreiche Bücher versprechen den Erfolg durch den Einsatz einer bestimmten Managementmethode. Da ist die Versuchung groß – schließlich war der Autor nachweislich erfolgreich oder beschreibt ein erfolgreiches Unternehmen.
Rückblickend identifizieren Erfolgsmenschen immer Gründe für ihren Erfolg. Dabei blenden sie völlig aus, dass andere Unternehmen mit der gleichen Methode sang- und klanglos vom Markt verschwunden sind.
Einige sind so sehr von ihren Methoden überzeugt, dass sie diese in Form von Branchen- oder Kundenvorgaben ihren Lieferanten überstülpen. Exemplarisch sei hier die FMEA genannt, eine Methode zur Ermittlung, Bewertung und Reduzierung von Risiken bei der Entwicklung von Produkten (Design-FMEA) bzw. bei der Planung von Herstellungsprozessen (Prozess-FMEA).
Die Methode der FMEA an sich ist schlüssig und kann insbesondere bei hohen Losgrößen frühzeitig potenzielle Probleme identifizieren, bevor kostenintensive Anpassungen erforderlich werden. Sie wird jedoch zur Farce, wenn Lieferanten vertraglich zu ihrer Anwendung verpflichtet werden. obwohl die Aufträge nur kleine Losgrößen umfassen oder sehr kurze Planungszeiträume vorsehen.
Auch als Berater tappt man in die Methodenfalle, wenn man bei einem Kunden gute Erfahrungen mit einer bestimmten Managementmethode gemacht hat. Zu verlockend ist die Idee, dass diese Methode auch beim nächsten Kunden funktioniert.
Es ist unerheblich, ob es sich um technische Methoden (FMEA, QFD, MSA …) oder Managementmethoden (BSC, OKR, MbO …) handelt. Die sklavische Anwendung führt nur selten zum erhofften Ergebnis.

Der Grund ist so banal wie entscheidend: Keine Organisation ist wie die andere.
Ob Größe, Branche, Risikobereitschaft, Fähigkeiten oder Motivation der Führungskräfte und Mitarbeiter, jedes dieser Merkmale beeinflusst, wie eine Methode greift. Auch die Marktposition, die geografische Lage oder andere Faktoren spielen eventuell eine Rolle.
Besonders prägend ist die Organisationskultur. Sie wirkt oft unsichtbar, durchdringt aber alles. Keine Methode wirkt langfristig, wenn sie nicht zur Kultur passt. Die ISO 9001 zollt diesem Umstand Tribut, indem sie eine verschriftlichte Qualitätspolitik fordert.
Der Anspruch, neue Methoden erfinden zu müssen, ist genauso wenig hilfreich wie die Idee, eine Methode 1:1 zu übernehmen. In der Praxis braucht es ein ausgewogenes Vorgehen. Methoden geben Struktur, Orientierung und ein bewährtes Grundgerüst. Gleichzeitig sollte die Möglichkeit zur Adaption gewährleistet sein.
Im Rahmen der ISO 9001 stellt die Managementbewertung unter anderem eine Möglichkeit dar, die derzeit eingesetzten Methoden sowie deren Effektivität systematisch zu überprüfen. Dabei können die folgenden Fragen unterstützend wirken:
- Was funktioniert aktuell gut – und wissen wir, warum?
- Was beabsichtigen wir zukünftig bewusst beizubehalten?
- Was hält Mitarbeiter ab, bestmögliche Leistungen zu bringen?
- Was wollen wir zukünftig anders machen?
Zur Reflexion braucht es Zeit und den Mut, frühere Entscheidungen zu revidieren. So verkommen Methoden nicht zum Selbstzweck. Vielleicht entwickelt sich bei euch eine neue Methode und Du wirst der nächste Erfolgsautor der Managementliteratur.