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Blick durch die Brille der Normalverteilung
Kennst Du das?
Vielleicht erinnert ihr euch noch an eure Schulzeit: Da gab es ein oder zwei herausragende Lehrkräfte, ein oder zwei regelrechte „Endgegner des Bösen“ und den Großteil, der irgendwie dazwischen lag, oder?
Auch in Arbeitsteams findet man immer wieder Zugpferde, Bremsklötze und die Masse der Teammitglieder, die im Mittelmaß agieren. Ebenso stellt man bei Berufsgruppen oft fest, dass beispielsweise ein Zahnarzt in eurer Stadt einen hervorragenden Ruf genießt, während vor einem anderen gewarnt wird, und die restlichen Praxen mehr oder weniger okay sind.
Fast immer gibt es eine große Masse, die sich dicht am Mittelmaß bewegt, sowie Ausreißer in beide Extreme. Das erinnert stark an die Normalverteilung nach Carl Friedrich Gauß.
Die Normalverteilung
Um die Normalverteilung besser zu verstehen, nehmen wir beispielsweise an, dass eine Gruppe von 1.000 Personen einen Test absolvieren muss, bei dem maximal 100 Punkte werden können.
Wenn man die erreichten Punkte der teilnehmenden Personen zusammenzählt und durch die Anzahl der Teilnehmer teilt, erhält man den arithmetischen Mittelwert. Die meisten Testergebnisse werden sich wahrscheinlich nahe um diesem Mittelwert verteilen. Immer weniger Personen werden weiter vom Mittelwert abweichen.
Nehmen wir an, der Mittelwert der Gruppe A liegt bei 76 Punkten. Mit der Gauß’schen Formel zur Standardabweichung können wir ermitteln, in welchem Bereich sich etwa 68 % der 1.000 Personen befinden.
In unserem Beispiel setzen wir folgende Werte ein:
- Mittelwert = 76 Punkte.
- Stichprobenumfang = 1.000 Personen
- Jedes Einzelergebnis xi wird vom Mittelwert subtrahiert, quadriert und alle Ergebnisse aufsummiert.
Bei 1.000 einzelnen Werten wird die Formel über dem Bruchstrich sehr lang. Zum Glück bietet Excel die Funktion STABWA(Werte), die als Parameter lediglich die Zahlenmenge der Testergebnisse benötigt und die Standardabweichung s berechnet.
Nehmen wir an, dass bei unserem Test s den Wert von 4 Punkten hat. Dann können wir davon ausgehen, dass 68,27 Prozent der Teilnehmer, also 683 Personen, eine Punktzahl zwischen 72 Punkten (Mittelwert minus s) und 80 Punkten (Mittelwert plus s) erreicht haben.
Übrigens hat s gleiche Einheit wie die Grundmenge – in unserem Fall also die erreichte Punktzahl.
Ferne hat Herr Gauß entdeckt, dass im Bereich vom Mittelwert plus/minus zweimal s, also zwischen 68 und 84 Punkten, 95,45 % der Personen liegen werden. Und 99,73 % der Personen werden zwischen 64 und 88 Punkten erreichen (76 plus/minus dreimal s).
Danke an Herrn Gauß für diese Erkenntnis.
Demnach werden nur 0,135 % der Teilnehmer über 88 Punkte erreichen – das entspricht 14 von 1.000 Personen. Gleichzeitig werden 14 Menschen enttäuscht sein, weil sie weniger als 64 Punkte erreicht haben.
Anwendung bei IQ-Tests
Übrigens entstehen auf diese Weise auch IQ-Tests: Der Mittelwert der Testergebnisse wird einem IQ von 100 gleichgesetzt, und je nach Test wird die Standardabweichung s zum Beispiel in 10 IQ-Punkte umgerechnet.
Wenn 1.000 Personen einen IQ-Test absolvieren, ist zu erwarten, dass 14 Personen einen IQ über 130 erreichen und als hochbegabt gelten. Dabei wird oft vergessen, dass sich die Aussage zur Intelligenz lediglich auf die spezifischen Aufgaben des IQ-Tests bezieht.
Veränderungen initiieren
Jetzt könnte man dem Trugschluss unterliegen, dass man wenig dagegen tun kann, wenn die Qualität von Lehrkräften oder das Engagement von Teams eher normal verteilt ist. Dabei hat die Normalverteilung zwei entscheidende Variablen (streng genommen sogar drei, wenn man den Stichprobenumfang berücksichtigt):
- Streuung (Standardabweichung)
- Lage (Mittelwert)
Wenn etwa das durchschnittliche Testergebnis einer Personengruppe B nicht bei 76, sondern bei 95 Punkten liegt und die Standardabweichung bei nur einem Punkt beträgt (s = 1), dann erreichen 99,73% der Personen zwischen 92 und 98 Punkte. 14 Personen dürften sich über 99 Punkte oder sogar die volle Punktzahl freuen. Die 14 Personen mit Werten von 90 oder 91 werden wohl auch gut damit leben können.
Führen wir ein Team und betrachten die Kompetenz der Teammitglieder, können wir durch Kompetenz fördernde Maßnahmen dafür sorgen, dass sich die Normalverteilung in die gewünschte Richtung verschiebt (Verbesserung der Lage).
Eine geringere Streuung kann unter anderem die Harmonie im Team fördern oder die Organisation von Stellvertretungen vereinfachen (Verringerung der Streuung).
Leider reift auch die Erkenntnis, dass wenn man ärztliche Hilfe sucht oder beratende Unterstützung benötigt, man oft nicht weiß, in welchem Bereich der Normalverteilung sich die betreffende Person bewegt. Bedauerlicherweise treten oftmals die minderqualifizierten Personen mit enormem Selbstbewusstsein auf, was bei Patienten oder Kunden einen falsch-positiven Eindruck hinterlassen kann. In der Psychologie kennt man das als Dunning-Kruger-Effekt.
Fazit
Auch wenn die Normalverteilung nur ein mathematisches Modell ist und die Realität stark vereinfacht, hilft der Blick durch die Brille der Normalverteilung bei der Bewertung und Entscheidungsfindung.
Vereinfacht gesagt, performen 15% einer Gruppe hervorragend, 15% werden eher mitgeschleppt und 70% bewegen sich zwischen diesen Extremen.
✍️ Teilt eure Erfahrungen mit der Normalverteilung gerne in den Kommentaren!
Normalverteilung bei PFU und MFU
In einigen Industriezweigen, wie z.B. der Automobilindustrie, sind Analysen zur Bewertung der Maschinen- und Prozessfähigkeiten (zum Beispiel durch Cpk-Werte) erforderlich:
- PFU = Prozessfähigkeitsuntersuchungen
- MFU = Maschinenfähigkeitsuntersuchungen
Häufig werden Messergebnisse mithilfe einer Software erfasst und automatisch ausgewertet. Allerdings besteht oft ein Mangel an Fachwissen, um die Ergebnisse gewinnbringend zu nutzen.
Dieses Videotraining der Lev-Akademie bietet eine einfache Erklärung der statistischen Grundlagen. Es konzentriert sich auf praktische Anwendungen, wie Kundenanfragen nach Lang- oder Kurzzeituntersuchungen, Maschinenfähigkeiten im Rahmen von Projekten (APQP) oder Freigaben (PPAP bzw. PPF).