Die Anforderungen an Qualitätsziele werden oft missverstanden – und leider gern mit gängigen Managementphilosophien vermischt. Das Ergebnis: sinnfreie Auswertungen und Berichte, die im Berufsalltag niemandem helfen.
Ein Blick in den Text der ISO 9001 kann hier Klarheit schaffen. Unter 6.2 „Qualitätsziele und Planung zu deren Erreichung“ heißt es:
Qualitätsziele sind für relevante Funktionen, Ebenen und Prozesse festzulegen, die für das QM-System benötigt werden.
Mit anderen Worten: Wenn ein Qualitätsziel nicht benötigt wird, muss man es auch nicht festlegen. Und: Nicht zu jedem Prozess muss zwingend ein Ziel definiert sein.
Allein diese Erkenntnis 💡 könnte so manchen Streit im Audit vermeiden.

Stolperfalle: Messbar oder quantifizierbar?
Ein weiterer häufiger Stolperstein: die Forderung, dass Qualitätsziele „messbar“ sein müssen. Viele verwechseln dabei Messbarkeit mit Quantifizierbarkeit.
Messbare Ziele bedeuten, dass sie anhand bestimmter Kriterien bewertet werden können – und diese Kriterien können qualitative oder quantitative Daten umfassen.
Quantifizierbare Ziele hingegen lassen sich direkt in konkrete Kennzahlen ausdrücken.
Da die ISO 9001 nur messbare Ziele verlangt, sind qualitative Daten völlig zulässig. Qualitative Daten beschreiben Eigenschaften, Merkmale oder Meinungen, die sich nicht direkt in Zahlen fassen lassen – und trotzdem gemessen und bewertet werden können.
Beispiel gefällig?
Ein Unternehmen setzt sich das Ziel, die „Einhaltung interner Vorgaben“ zu verbessern. Bewertet wird über interne Audits und offene Gespräche – also qualitative Ansätze.
Natürlich könnte man versucht sein, das Ganze mit Kennzahlen zu unterfüttern, etwa durch das Zählen von Abweichungen in Audits. Aber: Eine bloße Zahl wie 3 sagt wenig aus, wenn Vergleichswerte fehlen. Vergleicht man zwei Auditberichte mit 3 und 7 Feststellungen, vergleicht man Äpfel mit Birnen – Audits sind schließlich immer nur situative Stichproben.
Im schlimmsten Fall führt eine solche Kennzahl sogar dazu, dass in Audits weniger offen gesprochen wird. Schließlich möchte keine Abteilung schlecht dastehen.
Das erinnert an das berühmte Zitat von Charles Goodhart:
„Wird eine Kennzahl zum Ziel, hat sie aufgehört, eine gute Kennzahl zu sein.“
Nichts gegen Kennzahlen, aber
Bitte nicht falsch verstehen: Kennzahlen sind wertvoll – sie helfen, Veränderungen sichtbar zu machen und gute Fragen zu stellen. Aber: Kennzahlen sind nur ein Hilfsmittel.
Das Prinzip „Führen mit Zielen“ (Management by Objectives) funktioniert nur in weniger komplexen Kontexten. Qualitätsmanagementsysteme sind komplex – das zeigt schon der Begriff „System“. Und komplexe Kausalitäten lassen sich selten in Kennzahlen ausdrücken.

Ziele richtig erläutern
Das Ziel „Einhaltung interner Vorgaben“ gibt eine wichtige Richtung vor. Doch ohne klare Erläuterungen könnte es dazu führen, dass Mitarbeitende unsinnigen Vorgaben blind folgen.
Eine mögliche Erläuterung könnte lauten:
„Um das Ziel zu erreichen, kann es notwendig sein, dass interne Vorgaben angepasst werden müssen.“
Eine bessere Formulierung des Qualitätsziels könnte so aussehen:
„Wir wollen die Verlässlichkeit verbessern, indem wir uns an unseren Vorgaben orientieren. Hierzu müssen Mitarbeitende ihre Anweisungen kennen und unsinnige Vorgaben erkennen. Von unseren Führungskräften erwarten wir Ideen und Projekte, wie wir das Ziel erreichen können.“

Wie messen wir den Fortschritt?
Durch kollegialen Dialog (internes Audit), Workshops und die interne Kommunikation von Verbesserungen kann gut bewertet werden, ob die Organisation auf dem richtigen Weg ist.
Vielleicht verbessern sich dadurch sogar die Reklamationsquote, die Schrottkosten sinken oder die Mitarbeiterfluktuation geht zurück. Aber vielleicht haben diese Trends ganz andere Ursachen – denn in komplexen Systemen gibt es per Definition keine einfachen Ursache-Wirkung-Zusammenhänge.
Fazit: Was wollen wir wirklich?
🎯 Bunte Grafiken mit Sollwerten? 🎯 Oder echte, erlebbare Verbesserungen von Prozessen?
Wer gute Qualitätskennzahlen hat, soll diese selbstverständlich weiter nutzen. Aber bei der Formulierung von Qualitätszielen sollte der Fokus darauf liegen, das QM-System wirklich zu verbessern.
In komplexen Systemen gelingt das oft besser mit qualitativen Zielen.