Neue Normanforderungen

Neue Normanforderungen

Vom aberwitzigen Verhalten der Beteiligten

Kaum ein Seminaranbieter verpasst aktuell Seminare zu den Themen „Risikomanagement“ oder „Wissensmanagement“ anzubieten. Auf Grund der Revision ISO 9001:2015 sind das echte Verkaufsschlager.

Auch Berater und Auditorem machen ihr Kunden mit Aussagen verrückt, welche den Passus „… Umstellung auf die neue ISO …“ enthalten.

Ich möchte Sie einladen, einen Moment innezuhalten und den folgenden Überlegungen zu neuen Normanforderungen zu folgen:

  1. Die ISO 9001 besteht aus einer Sammlung von Themen, mit denen sich gute Organisationen auseinandersetzen. Demnach müssen gute Organisationen einfach tun, was sie tun, um ein Zertifikat zu erhalten.
  2. Manchmal entdecken die Normschreiber neue Themen (z.B. „Wissen der Organisation“). Manchmal sehen sie sich dazu aufgefordert, vorhandene Themen klarzustellen (z.B. „Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen“ statt „Vorbeugungsmaßnahmen“).
  3. Wenn Sie bereits zertifiziert sind und mit einer neuen Normanforderung konfrontiert werden, sollten Sie zuerst überlegen, ob sie diese Anforderung nicht schon längst erfüllen! Sollten Sie noch nicht zertifiziert sein, gilt dasselbe, jedoch müssen Sie diese Übung zu allen Normanforderungen durchführen.

Den dritten Punkt möchte ich verdeutlichen:

Die ISO 9001 enthält bereits Anforderungen zur „Prozessumgebung“ (zuvor „Arbeitsumgebung“ genannt). Deshalb achten Auditoren bei Begehungen auf Ordnung und Sauberkeit. Wenn durch Defizite die Qualität gefährdet sein könnte, werden entsprechende Hinweise gegeben.

Nehmen wir an, die Anforderung zur „Prozessumgebung“ wäre jetzt komplett neu, dann würden manche Organisationen wie folgt agieren:

  • Mitarbeiter werden zur Schulung „Wie räume ich auf?“ geschickt.
  • Berater schreiben eine theoretische Abhandlung zur Prozessumgebung in eine Verfahrensanweisung.
  • Es wird ein nagelneuer Raum geschaffen, der vorbildlich gestaltet ist. Dieser Raum wird im Audit präsentiert und lobend im Auditbericht erwähnt.

Wäre da nicht aberwitzig? Nur weil Normschreiber ein neues Thema aufnehmen, muss dieses in guten Organisationen nicht neu erfunden werden!

Allerdings erlebe ich genau solch sinnlose Aktionen zu den neuen bzw. umbenannten Anforderungen der ISO 9001:2015. Es werden Wikis zum „Wissen der Organisation“ erschaffen, obwohl es dafür seitens der Mitarbeiter keinen Bedarf gibt. Kurz vor jedem Audit werden Risikomatrizen aktualisiert, weil sonst kein Mensch damit arbeitet. Das ist genauso aberwitzig, wie der perfekte Raum aus dem Beispiel zur Prozessumgebung.

Was wäre denn ein sinnvoller Weg?

Zum Thema „Prozessumgebung“ würde man eine Begehung (ein internes Audit) durchführen, bei dem schwerpunktmäßig darauf geschaut würde, ob die Qualität durch die vorhandene Arbeitsumgebung gefährdet sein könnte. Das Ergebnis könnte zum, Beispiel lauten „alles OK, kein Handlungsbedarf“ oder „ein 5s Projekt könnte hilfreich sein“ oder „…“.

Bevor Sie ein neues Wissensmanagementsystem etablieren, lesen Sie bitte genau, was die Norm fordert (nämlich kein Wissensmanagementsystem!). Reflektieren Sie, was sie bereits zum Thema Wissen der Organisation tun (Managementhandbuch, Anweisungen vor Ort, Aufbewahrung wertvoller historischer Daten, Protokolle, Erfahrungsaustausch, Einarbeitungspläne, Förderung der offenen Kommunikation, Analyse der Demographie, Analyse der Fluktuation, Datensicherung, …). Erst dann lohnt die Überlegung, ob weitere Aktionen sinnvoll sind. Alles andere wäre aberwitzig!

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